"Traumburgen-Bauer - Wiesbadener mischt bei amerikanischen TV-Serien mit"
Von Sylvia Meilin Weber
Der Wiesbadener Matte Painter Sven Sauer erschafft am Computer täuschend echte Film-Bilder. So gut, dass er dafür sogar einen Oscar bekam.
Locken, ein strahlendes Lachen und Hände, die immer in Bewegung sind: Sven Sauer, 34, aus Wiesbaden ist ein Enthusiast. Das spürt man sofort, wenn man ihm gegenüber sitzt. Er hat das erreicht, was fast jeder will, der im Filmgeschäft arbeitet: einen Oscar. 2012 holte die Frankfurter Visual Effect-Firma Pixomondo für den Film "Hugo" die Trophäe für die besten Spezialeffekte. Sven Sauer war Teil des ausgezeichneten Teams.
Sein Talent: Er erschafft fantastische Traumwelten am Computer. Mit einem digitalen Pinsel malt er täuschend echte Kulissen für Filme wie "Melancholia" von Lars von Trier, TV-Serien wie "Game of Thrones" oder Computerspiele wie "Perry Rhodan". Matte Paintings nennt man solche Gemälde. Die Burg Drachenstein in "Game of Thrones" besteht am Filmset zum Beispiel nur aus einem Tor. Die gesamten Gemäuer drum herum werden von Sven Sauer und seinen Kollegen in der Postproduktion gezeichnet – und sehen im Fernsehen dann ganz real aus.
Im Prinzip unterscheidet sich das Zeichnen von Matte Paintings kaum vom Zeichnen auf Papier. "Früher benutzte man Pinsel, heute einen Computer-Stift. Geändert hat sich nur das Werkzeug", erzählt Sven Sauer. Die ersten Matte Paintings wurden Ende des 19. Jahrhunderts erfunden. Adelige verlangten nach Fotografien von ihren Häusern – aber bitte ohne die störenden Telegrafenmasten. Also stellten die Fotografen eine Glasplatte zwischen die Kamera und das Haus und übermalten auf der Platte die Masten mit Bäumen. Beim Film wurden Matte Paintings bis vor wenigen Jahren auch auf Glasplatten gezeichnet.
Auch Sven Sauer fertigte seine ersten Matte Paintings noch ohne Computer, damals studierte er Kommunikationsdesign. Nach seinem Abschluss heuerte er in einer Werbeagentur an und drehte nebenbei Kurzfilme. Für aufwändige Kulissen fehlte das Geld. "Ich habe die Kulissen einfach am Computer gezeichnet – ohne zu wissen, dass das, was ich tat, Matte Painting genannt wird." Bald kamen Visual Effekts-Firmen wie Pixomondo auf ihn zu. Das war 2006, als die Visual Effects-Landschaft in Deutschland gerade entstand. Sauer schmiss seinen Job in der Werbung hin und wurde Matte Painter. Die Kollegen, die wie er in den Anfangstagen der Visual Effects-Szene dabei waren, haben alle Karriere gemacht. "Wir waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Das ist natürlich ein großes Glück", sagt Sauer, der heute auch den Nachwuchs an der Fachhochschule Mainz unterrichtet.
Als Freelancer reist Sven Sauer von Produktion zu Produktion. Gute Matte Painter sind rar. Etwa fünf gibt es in Deutschland. Gerade war Sven Sauer in Stuttgart, um an der nächsten Staffel von "Game of Thrones" zu arbeiten. Ungefähr fünf Monate sitzt das Visual Effects-Team an einer Produktion. Bevor die Zeichenarbeit losgeht wird intensiv recherchiert. Wo steht ein Schloss, das aussieht, wie die Burg Drachenstein? Gibt es eine Stadt, die an Mailand im 19 Jahrhundert erinnert? Dafür reist das Team um die ganze Welt – nach Irland, um Burgen zu fotografieren oder nach Luca, um die Hausdächer für den Film "Die schwarzen Brüder" unter die Lupe zu nehmen.
Nach jeder Filmproduktion braucht Sven Sauer eine "Reha-Phase". Doch Strandurlaub ist nichts für ihn. Stattdessen entwickelt er lieber mit seinem Bruder Frank eine App, mit der man Roboter in den realen Raum holen kann. Oder er organisiert die Ausstellungsreihe "360 Minutes of Art", bei der alle Werke, die am Ende des Abends keinen Käufer gefunden haben, verbrannt werden. Dass es – gerade in Deutschland – äußert provokativ ist, Kunst zu zerstören, weiß er. "Aber die Nazis haben Werke von anderen verbrannt. Wir verbrennen nur unsere eigenen", sagt er, "und für ein paar Stunden werden die Werke intensiv wahrgenommen. Darum geht es doch bei einem Kunstwerk." Dann muss er weiter – neue Ideen und neue Projekte warten auf ihn.