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"Ein Tag im Studio  -
Einblicke in einen Arbeitstag"

                                                             Vorwort im Buch "Unseen Westeros"

Erinnern Sie sich an ein Bild, dass sie im Kino gesehen haben und dass auch Tage später nicht mehr aus Ihrem Kopf möchte?
Wir kennen diese Szenen - aber es gibt nicht viele davon. Das liegt daran, dass es aus der Sicht eines Artist wahnsinnig schwer ist, ein Bild zu kreieren, dass wirklich lange in Erinnerung bleibt…eben ein Motiv, bei dem ich mich im Kinosessel instinktiv vorlehne, um noch mehr sehen zu können.

Doch wie erschafft man so ein Bild? Als Artists stellen wir uns diese Frage jeden Tag. Immer und immer wieder. Die großen und lauten Explosionen sind es nicht. Die sind für den Moment eindrucksvoll - aber beschäftigen sie uns noch Tage später? Mich nicht. 

Mir sind Szenen wie das Finale auf dem verregnetem Dach in Blade Runner in Erinnerung. Wenn am Ende des Film der Replikant Roy im Bewusstsein seines nahen Todes über seine Erlebnisse Lichtjahre von der Erde entfernt spricht:
„I’ve seen things you people wouldn’t believe. Attack ships on fire off the shoulder of Orion. I watched C-beams glitter in the dark near the Tannhauser Gate. All those moments will be lost in time like tears in rain. Time to die.”

Diese Szene ist seit ihrer Entstehung so oft um die Welt gegangen, dass inzwischen ein eigener Wikipedia-Eintrag zum „Tannhauser Tor“ existiert. 
Ich habe das Bild vom Tannhauser Tor noch immer vor Augen... obwohl dieser Ort nie gezeigt wurde. Er fiel nur ein einziges Mal in einem Nebensatz... während Bilder eines verregneten Daches gezeigt wurde.
Das sind Bilder, die in Erinnerungen bleiben. Sie werden gar nicht gezeigt. Sie geben nur Andeutungen. Genau das lässt uns als Betrachter die Szene in unserem Kopf zu Ende zu denken.

Also warum ist das, was in unserem Kopf passiert,so wichtig?
Weil es begeistert. Wir freuen uns über unsere eigene Kreativität, unser Votstellungsvermögen. Das spüren wir auch, wenn wir ein aufregendes Buch lesen. Die großen Bilder beginnen dort, wo wir mit unseren Vorstellungen alleine gelassen werden.

Wie „wenig“ darf ich als Artist daher zeigen, damit das Interesse des Betrachters gefesselt wird? Die Bilder selbst mit eigenen Ideen ergänzt... und sich darüber freuen.
Eine Burg im Nebel. Ein Schatten in der Dunkelheit. Da werden wir neugierig. 

Das Entwickeln eines Bildes ist der mühselige Prozess der Reduktion an den richtigen Stellen. Wie viel darf ich gerade noch zeigen, damit das Bild verstanden wird - und genug Platz für die Vorstellungskraft übrig lässt?


Das klingt erst einmal einfach - aber der Weg zur Reduktion ist in unserem Arbeitstag sehr lang. Um etwas in reduzierter Form zeigen zu können, müssen wir genau wissen, wie es im normalen Zustand aussieht. Also tasten wir uns rückwärts heran. Wir bauen die Burg in ihrer vollen Pracht und lassen sie dann Stück für Stück im Nebel verschwinden. Von einem komplexen Bild nehmen wir immer mehr weg... bis nur noch das übrig bleibt, was die eigene Fantasie am meisten stimuliert. 
Diese Reduktion nimmt sehr viel Zeit in Anspruch. Abkürzen kann man den Prozess nicht - ich habe es schon oft versucht.

Goethe schrieb bereits 1820 an seinen Briefreund:
„lieber freund, entschuldige bitte, das ich dir heute so einen langen Brief schreibe - ich hatte keine Zeit für einen kurzen“

Wenn eines meiner Bilder am Ende zu komplex wurde, hatte ich vermutlich keine Zeit für ein reduziertes Bild.

 


PROLOGUE: A DAY IN THE STUDIO

Think of a picture that you saw in a movie and couldn’t get out of your head days later. Even though we’re familiar with these moments, there definitely aren’t many of them. That’s because, from an artist’s perspective, it’s unbelievably difficult to create an image that will stay in the viewer’s memory…even if it’s something that made him lean forward in his seat with suspense at the time.
    
So how do you create such a picture? As artists, we ask ourselves this question every day, again and again. The big loud explosions don’t do it. They’re impressive for the moment, sure. But do they occupy our thoughts days later? Not mine.
    
I remember scenes like the finale of Blade Runner. When, at the very end on a rain-soaked roof, the replicant Roy realizes his nearing death and tells about his past: “I’ve seen things you people wouldn’t believe. Attack ships on fire off the shoulder of Orion. I watched C-beams glitter in the dark near the Tannhauser Gate. All those moments will be lost in time like tears in rain. Time to Die.” This scene has is so well-known today, that there’s even a Wikipedia page for “Tannhauser Gate.”
    
I have a clear image of Tannhauser Gate in my mind, even though the place is never even shown in the film. It was mentioned once in a passing sentence, paired with images of rain pouring on a roof.
    
Those are the pictures that remain. They’re never actually shown, they just give suggestions. And that’s how we, as viewers, are able to give the scene an end in our minds.
    
So why is what happens inside our heads so important?
    
Because it’s amazing! We’re excited about our own creativity—about the wealth of our own imagination. We feel it, too, when we read an exciting book. The big pictures really start when we’re left alone with our own imaginations.
    
How “little” can I show as an artist, in order to capture the viewer’s interest? The images enhance the viewer’s own ideas, and then the imagination takes over.
    
A castle in the fog. A shadow in the darkness. They make us curious.
    
Developing a picture is the painstaking process of elimination in just the right places. How much can I show so that the picture is understood, while leaving enough room for imagination?
    
It sounds easy at first, but the process of elimination makes our work days long. In order to show something in reduced form, we have to know what it looks like fully elaborated. So, we work backwards. We build a castle in all its splendor, and then make it disappear, piece by piece behind the fog. From a complex image, we take more and more away, until only the rest remains—the things that stimulate our fantasies the most. 
    
The process requires a lot of time, and can’t be abbreviated—believe me, I’ve tried. 
    
Goethe wrote to a friend in 1820:
“Dear Friend, please excuse me for writing such a long letter—I didn’t have time for a short one.”
    
If one of my pictures in this book is too complex, it’s because I didn’t have time to reduce it. —Sven Sauer

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